Titelfoto: © Mark Seelen
Rotterdam ist die zweitgrößte Stadt der Niederlande und gilt als Architekturhauptstadt des Landes. Das erste, was den meisten Besuchern auffällt, sind die vielen Hochhäuser, die der Stadt den Beinamen "Manhattan an der Maas" eingebracht haben. In letzter Zeit hat Rotterdam Furore gemacht mit ikonenhaften Neubauten, vom Hauptbahnhof über die Markthalle bis hin zum Hochhaus De Rotterdam. Aber die Stadt hat mehr zu bieten als glänzende Prestigeprojekte. Rotterdam ist eine sehr dynamische Metropole: etwas ruppig, eigensinnig und offen für Experimente aller Art.
In Zeiten des Klimawandels muss Rotterdam sich jedoch auch einigen Herausforderungen stellen. Der Rotterdamer Hafen, der derzeit der größte Europas und zehntgrößte der Welt ist, produziert jährlich 13,7 Millionen Tonnen CO2. Darüber hinaus spielen Lage und Morphologie der Stadt eine Rolle. Rotterdam liegt größtenteils unter dem Meeresspiegel: Der mit sechs Metern unter null tiefste bewohnte Punkt des Landes befindet sich im Stadtgebiet. Obendrein hat die Stadt besonders stark mit den steigenden Niederschlagsmengen zu kämpfen. Ihr Zentrum wurde nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut und besitzt seither einen besonders hohen Anteil an versiegelten Flächen.
Typisch für Rotterdam ist es aber auch, in jedem Problem eine Chance zu sehen. Mit viel Tatkraft und Experimentierfreude widmen sich Stadtverwaltung und Architektenschaft der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien. In der gebauten Umgebung greift man dabei gerne auf „meervoudig ruimtegebruik“, also mehrfache Raumnutzung, zurück. Dazu gehören zum Beispiel ein Sportplatz, der auch als Wasserrückhaltebecken fungiert, ein Park auf einem ehemaligen Eisenbahnviadukt und ein Kombinationsbau aus Einkaufszentrum, Parkgarage, Deich und Dachpark. Die gesamte Stadt dient als Petrischale, in der solche Prototypen getestet werden.
Letztes Jahr stellten sie das schüsselförmige neue Schaudepot des Museums Boijmans Van Beuningen fertig, auf dessen Dach sich ein Café in einem Birkenwald befindet, und publizierten den Rooftop Catalogue, ein Buch mit 130 Ideen für die Aufwertung der 18,5 km² Flachdach, die es in Rotterdam gibt. Im Mai setzten sie mit dem Rooftop Walk einige dieser Ideen exemplarisch in die Praxis um. Belegt mit einem knallorangefarbenen Teppich führte der 600 Meter lange Walk in 30 Meter Höhe über mehrere ikonenhafte Gebäude im Stadtzentrum.
Neben der Erschließung von Flachdächern als Erweiterung des öffentlichen Raums ist auch die Nutzung von Wasserflächen ein aktuelles Thema in Rotterdam. In der stark versiegelten Stadt spielen Hafenbecken bereits eine wichtige Rolle für den Regenwasserrückhalt. Was, wenn man sie im Sinne der mehrfachen Raumnutzung auch zugänglich machen würde?
Auch hierbei handelt es sich um einen gebauten Prototypen: Wohnboote gibt es bereits in Rotterdam, aber ein schwimmender Bürobau, der noch dazu ein Plusenergiehaus ist, ist auch in den Niederlanden ein Novum. Das 3.500 Quadratmeter große, in Holzskelettbauweise gebaute Floating Office Rotterdam treibt im Rijnhaven und beherbergt die Zentrale des Global Center on Adaptation, eine NGO, die Länder und Institutionen bei Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels berät. Im Erdgeschoss befindet sich außerdem ein Restaurant mit Badesteg und daneben liegt ein schwimmender Garten.
Sowohl das Floating Office als auch der Dachgarten des Boijmans Depots und der temporäre Rooftop Walk präsentieren und illustrieren also das Stapeln von Funktionen als Verdichtungsstrategie – auf Gebäudedächern oder auf Wasserflächen. Damit liefern sie Denkanstöße, tragen aber auch ganz konkret zum Ziel der Hafenstadt bei, bis 2050 klimaneutral zu sein.
Moderation und Organisation erfolgt durch die Architektin Claudia Neeser von guiding architects munich (www.ga-munich.com)
geboren in Frankfurt/Main, studierte Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin. Seit 2001 lebt sie als freie Architektur- und Designjournalistin in den Niederlanden. Sie schreibt Buchbeiträge und Artikel über niederländische Architektur für u.a. Bauwelt, db, DETAIL, Topos, Garten + Landschaft, Werk, Bauen und Wohnen. 2004 gründete Anneke Bokern die Firma architour, die sie seit 2014 gemeinsam mit dem niederländischen Architekten Paul Vlok leitet. Anneke Bokern selber organisiert und moderiert Führungen auf Deutsch, Englisch und Niederländisch. 2021 erschien bei DOM Publishers ihr Architectural Guide Rotterdam. architour ist Gründungsmitglied von Guiding Architects.
Partner und Direktor für Strategie bei MVRDV, kam 2008 zu MVRDV, als das Büro gerade mit den Folgen der globalen Finanzkrise zu kämpfen hatte. Zuvor prägte Knikker fast ein Jahrzehnt lang das öffentliche Bild von OMA, nachdem er seine Karriere zunächst als Journalist begonnen hatte. Als Partner und Director of Strategy bei MVRDV ist Knikker für die Geschäftsentwicklung und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und leitet ein großes und dynamisches Studio, zu dem auch die Visualisierungsabteilung des Büros gehört. Darüber hinaus leitet er die Branding-Bemühungen des Büros und die Expansion von MVRDV in neue Märkte, indem er das Bestreben des Büros unterstützt, Lösungen für globale Herausforderungen durch einen vielseitigen Ansatz für Architektur und Städtebau zu entwickeln.
Knikker hält regelmäßig Vorträge bei internationalen, kommerziellen und akademischen Veranstaltungen in Deutschland (Polis Convention, Stiftung Baukultur), dem Vereinigten Königreich (RIBA), Israel (CTBUH, Bezalel, TAU), Kolumbien (Universidad Nacional, Utadeo), Österreich (MAK), Australien (RMIT), Kuala Lumpur (UCSI) und vielen anderen namhaften Veranstaltungsorten. Neben seiner umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit hat Knikker für zahlreiche MVRDV-Publikationen und -Ausstellungen geschrieben und beigetragen, darunter MVRDV Buildings mit den Gründungspartnern Jacob Van Rijs und Nathalie de Vries. Er ist stellvertretender Redakteur von Domus 2019 und schreibt außerdem regelmäßig für eine Reihe von Publikationen aus dem Designbereich. Er ist Mitglied des HNI Heritage Network und des Gestaltungsbeirats der Stadt Wiesbaden, leitete das Online-Designmagazin Dafne und war von 2007 bis 2011 Mitglied der Kommission für internationale Projekte des niederländischen Architekturfonds.
geboren 1984 in den Niederlanden, ist Partner bei Powerhouse Company und leitet das deutsche Büro in München, seit dessen Eröffnung im Jahr 2018.
Sander spielt eine wichtige Rolle bei der technischen Planung der innovativen Projekte von Powerhouse Company. Er ist ein durchdachter technischer Designer und Experte für anspruchsvolle konstruktive Aufgaben, was ihn zu einem unverzichtbaren Mitglied bei der Ausführung von High-End Projekten macht. Seit seiner Zeit bei Powerhouse Company hat er bereits mehrere Jahre lang im Ausland gearbeitet, wie zum Beispiel der Schweiz, China und in Deutschland,
Er erhielt seinen Bachelor of Engineering im Jahr 2007 an der Hogeschool Windesheim und gewann den Preis (zusammen mit Gerben Knol) für das beste Abschlussprojekt des Jahres. Seinen Master in Architektur erhielt er 2011an der TU Delft. Zwischen 2005 und 2011 arbeitete er für mehrere (inter)nationale Architekturbüros, z. B. Rietveld Architects New York (USA) und Powerhouse Company (NL). Nach seinem Abschluss arbeitete er bei Powerhouse Company erst als technischer Zeichner und später als Projektarchitekt. Im Jahr 2016 wurde Sander zum Associate und seit 2018 mit der Büroeröffnung in Deutschland Partner.
Die Veranstaltung wurde bei den unten stehenden Architektenkammern als Fortbildungsveranstaltung angefragt: