Titelfoto: Uta Winterhager
32 Jahre nach dem Hauptstadtbeschluss hat Bonn viele Profile: Bundesstadt, Universitätsstadt, Beethovenstadt, Standort von UN und DAX-Konzernen. Doch es gibt sie nicht, die eine neue Aufgabe, die alle beschäftigt, vielmehr sind es einzelne, auch kleine Maßnahmen, die den Diskurs um die Zukunft der Stadt bereichern. Sie suchen und nutzen die Freiräume, die man in der Randlage (ROM.HOF) eher findet als im dichten urbanen Gefüge, wo der Platz geteilt (Montag Campus) oder erst geschaffen (Neuer Kanzlerplatz) werden muss. Neue, manchmal auch experimentelle Formen des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens entstehen. Aber es bleibt auch Raum für gestalterische Innovationen mit Haus und Hülle, mit dem Zusammenspiel von Altem und Neuem. Wir besuchen drei Projekte, die jedes für sich einen eigenen kleinen Kosmos geschaffen haben, über die eigene Parzelle hinaus aber wichtige Bausteine im Stadtgefüge geworden sind.
(Schmitz Architekten, Köln, 2022)
Am Rheinufer, wo die Innenstadt langsam ins Regierungsviertel übergeht, liegt vor Blicken geschützt der Campus der Montag Stiftungen.
Unabhängig und gemeinnützig realisierten die unter der Maxime "Handeln und Gestalten in sozialer Verantwortung" handelnden Stiftungen Projekte und Projektbeteiligungen, denen man auch im baukulturellen Kontext begegnet. Drei frisch sanierte Jahrhundertwende-Villen als Stiftungssitz teilen sich das parkartig angelegte Gelände seit Herbst 2022 mit zwei grün schillernden Neubauten: Romeo und Julia. 55 Studierende leben dort in zehn Clustern, deren Zentrum ein großer Gemeinschaftsraum mit Küche und Loggia bildet. Begegnungen drinnen und draußen sind Programm.
Foto: Uta Winterhager
(Uwe Schröder Architekt, Bonn 2013)
Ein ungewöhnlicher Name, fast eine Formel für ein Gebäude, dessen lautes Schweigen nicht vernehmen lässt, dass es für Studierende gebaut wurde. Mit klösterlicher Strenge konzentriert sich der Bau auf sich selbst, die Ordnung der vier Geschosse und elf Achsen jeder Ansicht ist unbezwingbar. So sieht kein Wohnhaus aus, so erinnert es an Gemälde und Bühnenbilder längst vergangener Epochen, während darin gekocht, gewaschen, gespielt und studiert wird. Um den ROM.HOF zu verstehen, muss man ihm so nahekommen, dass das warme Gelb seiner Ansicht als Ziegelwand erkennbar wird. Denn es ist der Stein, die kleinste Einheit, die das Ganze bestimmt und zum Leben erweckt.
Foto: Uta Winterhager
(JSWD Architekten, Köln, 2023)
Lange fehlte dem neuen Bonn ein klangvoller Auftakt, eine Willkommensgeste mit Fernwirkung. Schon einmal, 1969, hatte man nach einer Lösung dieser Aufgabe gesucht und am Bundeskanzlerplatz das Bonn-Center errichtet, der Mercedesstern auf dem Dach wurde legendär. Es ist kein einfaches Grundstück, eine dreieckige Form mitten in einem Verkehrsknotenpunkt. Das neue Ensemble, drei polygonalen Gebäude, aus einem entwickelt sich der 101,5 Meter hohe Turm, ist stark genug, um Bezüge zu seinem vielfältigen und verkehrsumtosten Umfeld herzustellen, ohne die Fokussierung auf sein eigenes Zentrum zu verlieren. Die Fassade aus filigran ausgeformten hellen Faserzement-Elementen erzeugt ein harmonisches Gesamtbild. Rund 4.500 Menschen werden am Neuen Kanzlerplatz arbeiten, ein Vielfaches davon grüßt die Landmarke täglich.